„Das ist totaler Mist, den du da geschrieben hast. Ich habe es für dich geändert, so ist es perfekt. Die hältst du jetzt so.“ An diesen Satz kann ich mich noch gut erinnern.
Zu guter und wertschätzender Kommunikation gehört für mich gutes und wertvolles Feedback dazu. All das möchte ich vertiefen und starte meine Lernreise im Jahr 2016 in einem Rhetorikklub. Es ist für mich völlig normal, wenn ich etwas lerne, dass zu Beginn nicht alles funktioniert. Umso begeisterter bin ich, dass ich von Beginn an einen Mentor an meiner Seite habe. Aufgabe des Mentors ist es, mir wertvolle Tipps und Feedback zu geben. Soweit die Theorie.
Die ersten Reden sind gehalten und ich sauge das Feedback auf wie ein Schwamm. Als Neuling bin ich stolz, als mein Mentor zu mir kommt und fragt: „Möchtest du im Rahmen eines Wettbewerbs eine Rede halten?“ Wow, was für eine Ehre. Meine Aufgabe ist es, eine Rede zu schreiben und vor einem Publikum zu halten. In dem Publikum sitzen Teilnehmende des Wettbewerbs. Deren Aufgabe ist es, meine Rede zu bewerten. Die beste Bewertungsrede wird anschließend durch eine Jury gekürt.
Feedback und seine Folgen
Mit voller Begeisterung setze ich mich an mein neues Redeprojekt. Ich habe drei Wochen Zeit. Voller Stolz schicke ich meinem Mentor den ersten Entwurf und die Antwort lässt nicht lange auf sich warten. Neugierig öffne ich die Mail und lese: „Deine Rede ist Mist, sie ist langweilig, sie muss aktiver geschrieben sein. Viel Spaß bei der Überarbeitung.“ Bäm, das Feedback sitzt. Es sitzt tief und ich frage mich, was ich nun damit anfangen soll. An welcher Stellschraube soll ich drehen, dass sie besser wird? Ich greife zum Telefonhörer und spreche mit meinem Mentor. Er gibt mir weitere hilfreiche Hinweise.
Ok, der zweite Entwurf steht. Ich verfasse wieder die Mail an meinen Mentor, hänge die Datei an und zögere. Soll ich die Mail wirklich abschicken? Muss ich mir wieder ein solches Feedback abholen? Mit einem unguten Gefühl schicke ich die Mail ab. Die Antwort kommt prompt: „Das ist totaler Mist, den du da geschrieben hast. Ich habe es für dich geändert, so ist es perfekt. Die hältst du jetzt so.“
Dass zu Beginn einer Lernreise nicht alles klappt, ist mir klar. Wie auch, deswegen bin ich ja auf diesem Weg.
Die Zeit ist gekommen, der Wettbewerb startet. Der Moderator kündigt mich an und ich halte meine, nein seine Rede. Der Applaus vom Publikum fühlt sich für mich irgendwie falsch an. Auf der Bühne werde ich vom Moderator interviewt und alle sind erstaunt, dass es eigentlich erst meine 4. offizielle Rede war.
12 Personen geben mir Feedback: Das war gut. Mach etwas mehr davon. Mach etwas weniger davon. Ich konnte es gut nachvollziehen. Ich habe deinen roten Faden nicht verstanden. Ich habe keinen Bezug zu deinem Thema. Mir war es zu kompliziert.
12 verschiedene Rückmeldungen. Doch was mache ich damit? Ich sortiere sie nach dem Aufbau der Rede und der Art und Weise, wie ich die Rede gehalten habe. Kurioserweise stelle ich fest, dass der Aufbau nicht bei allen gut ankam. Ich tausche noch eine paar Worte mit einem anderen Redner und stelle fest, dass er ähnliches erlebt hat und ebenfalls nicht wirklich glücklich ist.
Am Abend fahre ich nach Hause und reflektiere den Prozess. Eigentlich kannst du stolz auf das sein, was du geschafft hast. Du hast nicht aufgegeben und dich getraut, diese Nummer wirklich durchzuziehen.
Ein paar Tage später
Es vergehen ein paar Tage. Meine Entscheidung steht: Der gemeinsame Weg mit meinem Mentor endet hier. Doch mein rhetorischer Weg hat erst begonnen. 8 Jahre später kann ich auf viele Reden und Keynotes vor vielen hundert Menschen zurückblicken. Urkunden, Preise und Auszeichnungen tragen meinen Namen. Worauf ich jedoch besonders stolz bin, sind die Personen, die ich selbst als Mentor begleiten durfte. Es war und ist mir eine Herzensangelegenheit, dass sie eine wertvolle Begleitung erleben und nicht das, was ich erlebt habe. Feedback ist ein Geschenk und keine Last.
Es fühlt sich großartig an, wenn dein Schützling auf der Bühne steht und strahlend seinen Applaus genießt. In dem Moment weißt du, dass der gemeinsame Weg eine wertvolle Erfahrung für beide Seiten ist.
Entwicklung braucht wertvolles Feedback
Was hat meine Geschichte nun mit Zusammenarbeit zu tun? Sehr viel. Wenn Menschen zusammenarbeiten, dann befinden wir uns immer auf einer Lernreise. Feedback kann uns bei der Entwicklung unterstützen. Jedoch nur, wenn das Feedback wertschätzend, konstruktiv und umsetzbar ist. Auch wenn es manchmal leichter sein mag, etwas schnell zu ändern. Das hilft nur einer Person, Zeit zu sparen, der anderen Person wird die Lernchance und Motivation entzogen.
Feedback hat Folgen, immer. Gehe verantwortungsvoll damit um.
2 Responses
Hallo Falk,
ich kenne dieses Gefühl des erniedrigt-werdens über scheinbar notwendiges Feedback. Es ist dann eine NOT-wendige Maßnahme im wahrsten Sinne des Wortes, sich von solch einem Mentor zu trennen. Genau wie du habe ich auch im Laufe der Zeit lernen müssen, dass es auch anders geht. Positive Worte erheben mein Gegenüber, egal was ich zu sagen habe. Und auch negative Dinge können freundlich formuliert werden. Es ist ein Lernprozess, der mit der Zeit so in Fleisch und Blut übergeht, dass sich Mitmenschen in deiner Nähe wohlfühlen. Das ist meiner Meinung nach der gute Boden, um Gutes weiterzugeben.
Vielen lieben Dank Edith für deine Zeilen.